Kursübersicht "Corporate Governance und Compliance (AM 16.1)"

Lehrende(r) der Kurseinheit:

Prof. Dr. Mathias Graumann, Nils Holzmann, M.A.


Lernergebnisse/Kompetenzen

Im Jahr 2017 wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) insgesamt 74.070 Fälle der Wirtschaftskriminalität registriert. Die daraus resultierende Gesamtschadenssumme belief sich auf 3,74 Mrd. Euro. Die Höhe der registrierten Schäden unterstreicht die erheblichen Auswirkungen der Wirtschaftskriminalität.

Das LG München I hat mit Urteil vom 10. Dezember 2013 entschieden (5 HK O 1387/10, sog. „Siemens-Entscheidung“), dass im Rahmen seiner Legalitätspflicht ein Vorstandsmitglied dafür Sorge zu tragen hat, das Unternehmen so zu organisieren und beaufsichtigen, dass keine Gesetzesverstöße erfolgen. Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet. D.h., es trägt die Verantwortung für organisatorische Vorkehrungen, die Rechtsverstöße auch durch nachgeordnete Mitarbeiter mit hinreichender Sicherheit verhindern (sog. „Compliance-Verantwortung“).

Die Studierenden machen sich diesen Hintergrund wirtschaftlichen Handelns bewusst und vergegenwärtigen sich aktuelle Primärdaten und Experteneinschätzungen. Sie werden mittels eigenständiger Analyse und Präsentation prominenter Fälle von Wirtschaftskriminalität mit deren typischen Abläufen und Mustern vertraut gemacht. Neben der Verbreiterung ihres Erkenntnisstands werden sie durch die hier gewählte Veranstaltungs- und Prüfungsform auch im Umgang und in der Sichtung von Quellen und in Präsentationstechnik trainiert.

Den Studierenden sind die aus Unternehmenssicht für Wirtschaftskriminalität besonders anfälligen Bereiche vertraut. Sie wissen um typische Indizien und Faktoren, die das Auftreten krimineller Handlungen begünstigen. Hierzu zählen insbesondere krisenhafte Entwicklungen und die praktizierte Unternehmenskultur. Sie beherrschen wesentliche Elemente eines funktionsfähigen Compliance Management-Systems und sind über Ausgestaltung und Implementierung verbreiteter Maßnahmen wie Verhaltenskodices, Anti-Fraud-Trainings oder Whistleblowing-Systeme i.S. einer Good Practice orientiert. Sie gewinnen ein Verständnis über die Einbettung eines Compliance Management-Systems in ein unternehmensweites internes Überwachungssystem. Sie wissen um die Ausgestaltung bedeutender Überwachungselemente wie organisatorische Maßnahmen sowie Formen der IT-Unterlegung von Massentransaktionen.

In integrierender Würdigung werden die Studierenden schließlich mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Geschäftsführung i.S. einer praxisnahen Auslegung einschlägiger gesetzlicher und außergesetzlicher Normen vertraut gemacht.

Inhalte

Wirtschaftskriminalität – Die empirische Evidenz. Volumen, Formen und deren Entwicklung. Prominente Fälle von Wirtschaftskriminalität. Versuch einer Identifikation typischer Abläufe.

Ursachen und Indizien für fraudulentes Handeln. Typische Profile und Motive von Wirtschaftsstraftätern. Einschätzung der Risikobehaftung von Unternehmen für fraudulentes Handeln. Konzepte des „Fraud Triangle“ und „Fraud Diamond“ und hieraus zu ziehende praktische Konsequenzen.

Compliance Management-Systeme i.S.d. IDW PS 980 und wirksame Ausprägung von deren Elementen: Compliance-Kultur, Compliance-Ziele, Compliance-Risiken, Compliance-Programm, Compliance-Organisation, Compliance-Kommunikation.

Funktionsweise typischer compliance-relevanter Maßnahmen wie z.B. Funktionstrennungen, Berechtigungskonzepte, Genehmigungsverfahren, Gegenkontrollen und Rotationen. Der compliance-relevante Einsatz der IT bei der Abwicklung von Massentransaktionen, insbesondere Einkauf und Absatz.

Einbettung der Thematik in übergeordnete Ebenen: Compliance als Grundsatz ordnungsmäßiger Geschäftsführung. Überblick über bedeutende unentziehbare Vorstandspflichten gemäß „Leitgesetz AktG“. Überblick über den Deutschen Corporate Governance Kodex.

Lehrformen

Seminaristischer Unterricht mit zahlreichen Fallstudien. Präsentationen der Teilnehmer, Plenumsdiskussion. Gruppenarbeiten. Selbstständiges Dokumenten- und Literaturstudium.

LernzielstufeKursbeitrag
Sozial- und Kommunikationskompetenz*Gruppenpräsentationen und deren Evaluation im Plenum
*Gruppendiskussionen
*Abfassung einer Hausarbeit gemäß wissenschaftlicher Standards
Wissenserwerb*Kenntniserwerb über Ausmaß, Ausprägungsformen und Motive der Wirtschaftskriminalität
*Kenntniserwerb über typische Indizien von fraud bzw. fraud begünstigende Faktoren (sog. "red flags", z.B. gemäß IDW PS 210)
*Kenntniserwerb über die Ziele, Aufbau- und Ablauforganisation von Com-pliance Management-Systemen gemäß IDW PS 980 sowie praktischer Standards, z.B. TR CMS 101:2011 des TÜV Rheinland
*Kenntniserwerb über die Elemente ordnungsmäßiger Geschäftsführung gemäß DCGK sowie IDW PS 720
Wissensvertiefung*Eigenständige Auswertung ausgewählter Studien über Ausmaß, Ausprägungsformen und Motive der Wirtschaftskriminalität nebst kritischer Würdigung
*Beschreibung typischer Abläufe wirtschaftskrimineller Handlungen und Anlässe von deren Aufdeckung
*Beschreibung typischer Konzepte, Instrumente und Maßnahmen des Compliance Management
*Beschreibung typischer Inhalte von Codes of Conduct oder Ethik-Richtlinien
Instrumentale Kompetenz*Konkretisierung der abstrakten Ordnungsmäßigkeitsnormen an Geschäftsführungsorganisation und Geschäftsführungsinstrumente in die Unternehmenspraxis
*Strukturierung typischer Geschäftsprozesse in Bezug auf fraud-Anfälligkeit
*Strukturierung von Maßnahmen der fraud-Prävention in prozessbegleitende und prozessunabhängige Maßnahmen sowie in organisatorische sowie IT-gestützte Maßnahmen unter Ableitung von praxisbezogenen Beispielen
*Analyse vorgefundener Elemente und Maßnahmen eines Compliance Management-Systems auf Angemessenheit und Wirksamkeit
Systemische Kompetenz*Fähigkeit zur Analyse der fraud-Behaftung ausgewählter Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse und Entwicklung von präventiven Handlungsempfehlungen
*Fähigkeit zur Schwachstellenanalyse ausgewählter Codes of Conduct oder Ethik-Richtlinien von Unternehmen nebst Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen
*Fähigkeit zum Entwurf eines idealtypischen Maßnahmenkatalogs zur Kriminalitätsprävention unter Berücksichtigung des zugrundeliegenden Geschäftsmodells
*Fähigkeit zur strukturierten Analyse eines realen fraud-Falles und eigenständiger Ableitung diesbezüglicher Fehlerursachen und Handlungsempfehlungen

Teilnahmevoraussetzungen

Formale: Eingeschriebene(r) Studierende(r) am Fachbereich WiSo des RheinAhrCampus für den Bachelor-Studiengang „Management, Führung, Innovation“.

Inhaltliche: Module „Externe Rechnungslegung (B 15) im 1. Semester, „Recht II Teil A / Gesellschaftsrecht“ (B 24.1) im 2. Semester.

Prüfungsformen

Siehe Modulbeschreibung.

Bewertung

Voraussetzung für die Vergabe von ECTS-Punkten ist das Bestehen der Prüfungsleistung für das Gesamtmodul. Die Prüfungsleistung für diese Kurseinheit geht zu 40 % in die Prüfungsleistung für das Gesamtmodul ein.

Literaturhinweise

Frei verfügbare Quellen, deren Durcharbeitung und Präsentation in der ersten Veranstaltung auf die Gruppen aufgeteilt wird:

Folgende Werke enthalten eine Reihe von prominenten Fraud-Fällen in der Vergangenheit:

  • Hofmann, S.: Handbuch Anti-Fraud-Management, Bilanzbetrug erkennen – vorbeugen - bekämpfen, Berlin 2008
  • Peemöller, V.H.; Krehl, H.; Hofmann, S.: Bilanzskandale - Delikte und Gegenmaßnahmen, 2. Aufl., Berlin 2017.

Weiterführende Literatur:

  • Amend, A.: Prävention von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen, Hamburg 2009
  • Behringer, S. (Hrsg.): Compliance für KMU - Praxisleitfaden für den Mittelstand, 2. Aufl. Berlin 2016
  • Fissenewert, P. (Hrsg.): Compliance für den Mittelstand, 2. Aufl., München 2018
  • Graeff, P.; Schröder, K.; Wolf, S. (Hrsg.): Der Korruptionsfall Siemens: Analysen und praxisnahe Folgerungen des wissenschaftlichen Arbeitskreises von Transparency International Deutschland, Baden-Baden 2009
  • Hlavica, C.; Klapproth, U.; Hülsberg, F.: (Hrsg.): Tax Fraud & Forensic Accounting: Umgang mit Wirtschaftskriminalität, Wiesbaden 2011
  • Nimwegen, S.: Vermeidung und Aufdeckung von Fraud, Lohmar 2009
  • KPMG (Hrsg.): Das wirksame Compliance-Management-System, , 2. Aufl., Herne 2016
  • Moosmayer, K.: Compliance: Praxisleitfaden für Unternehmen, 3. Aufl., München 2015
  • Odenthal, R.: Korruption und Mitarbeiterkriminalität: Wirtschaftskriminalität vorbeugen, erkennen und aufdecken, 2. Aufl., Wiesbaden 2009
  • Röhrich, R.: Methoden der Korruptionsbekämpfung: Risiken erkennen, Schäden vermeiden, Berlin 2008
  • Wieland, J.; Steinmeyer, R.; Grüninger, S. (Hrsg.): Handbuch Compliance-Management - Konzeptionelle Grundlagen, praktische Erfolgsfaktoren, globale Herausforderungen, 2. Aufl., Berlin 2014.

letzte Änderung der Seite: February 21, 2019

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